Call for Papers


Die Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) veranstaltet jährlich eine Tagung zur Diskussion aktueller Themen des Fachgebiets und theoretischer sowie methodischer Entwicklungen der Medienwissenschaft. Neben der Präsentation von Forschungsergebnissen bietet die Tagung Möglichkeiten, sich persönlich auszutauschen und mit wissenschaftspolitischen Fragen auseinander zu setzen. Das Tagungsthema »Arbeit« fragt nach dem Verhältnis von Arbeit und Medien in der ganzen Bandbreite von theoretischen, historischen und analytischen sowie medienpraktischen, sozialen und politischen Problemstellungen: von den gegenwärtigen medialen Bedingungen und Ermöglichungen von Arbeit über Darstellungen, Reflexionen, Modi und Formen des Arbeitens mit und in Medien sowie arbeitende Medien hin zu den Arbeitsmodalitäten der Medienwissenschaft selbst.

Tagungsthema: »Arbeit«

Arbeit bestimmt unsere Lage, beruflich wie privat. In der Regel sind es Medien, die Möglichkeiten und Bedingungen von Arbeit darstellen: so wie das Arbeitsmedium Schreibmaschine einst Anstellungsverhältnisse an Gender-Parametern ausrichtete, gelten Interface-Technologien heute als Grundlage postindustrieller Tätigkeit. Die Covid-19-Pandemie hat das Verhältnis zwischen Medientechnik und Arbeit zusätzlich verschärft und in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen zu einem dringlichen Thema werden lassen: etwa in Hinblick auf die schwindenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit oder Arbeits- und Wohnraum. Arbeitsbedingungen sind somit eng verzahnt mit Medientechniken und -umbrüchen. Medienwissenschaft zu betreiben bedeutet deshalb immer auch, über Voraussetzungen und Bedingungen des eigenen Arbeitens nachzudenken. Die Frage nach dem Verhältnis von Arbeit und Medien bildet somit einen Kerngegenstand medienwissenschaftlichen Arbeitens. Entsprechend lädt die GfM-Jahrestagung 2022 dazu ein, Prozesse des Arbeitens medienpraxeologisch zu reflektieren, medientheoretisch herzuleiten, medienhistorisch zu verorten, medienästhetisch zu fassen oder mediensoziologisch zu beschreiben.

Mit Locke, Smith und Marx wird Arbeit im 19. Jahrhundert zu einem zentralen Bezugspunkt der Bestimmung von Selbst und Gesellschaft. Ökonomische und politische Positionen des Industriekapitalismus verweisen auf Arbeitskraft und Produktionsmittel, Arbeitsweisen und Arbeitsteilung, Kapital und Markt. Sie beziehen sich zunächst auch positiv auf die über Postverkehr, Telegraphie und andere Medien ermöglichte Kommunikation unter Arbeitenden, ihre Organisation und erhoffte Kollektivität. Die heute als Schubphase des Anthropozäns verstandene Explosion industrieller Lohnarbeit ab 1870 beruhte gleichermaßen auf fossilem Kapital wie auf Formen medialer Informationsverarbeitung innerhalb von Industrie und Staat. Versuche, nationale und später globale Märkte zu etablieren, gelten nun ohne technische Medien als ebenso wenig denkbar wie ohne soziale Massen, aus denen sich der/die Arbeiter:in bald abhebt als gebrochene, der eigenen Tätigkeit entfremdete oder umgekehrt ideologisch überhöhte Figur. Im Kontext politischer Krisen und neuer Regimes der Sichtbarkeit, die weiblich konnotierte Dienstleistungen, häusliche Verrichtungen oder koloniales Zwangsschaffen nicht als Arbeit vorführen, sondern unsichtbar werden lassen (A.K. Daniels) stellt sich damit auch die allgemeinere Frage nach dem Tätigsein des Menschen und dem Unterschied zwischen homo faber und animal laborans. So thematisiert Hannah Arendt das Verhältnis von Arbeiten und Herstellen, labor and work, als Gegensatz zwischen der vermeintlich isolierten, repetitiven, unproduktiven Tätigkeit des Einzelnen und dem auf Dauerhaftigkeit angelegten Schaffen an einer geteilten menschlichen Wirklichkeit.